Weiße Plastik-Kuppel und grüner Strauch

Synopsis

"Wir müssen die Klimaanlage ausschalten, es wird kalt!" Die körperliche Empfindung der Kälte verunsichert den Geist und schleudert ihn zurück von Bombay nach Berlin, wo die Temperatur weit unter Null liegt. a/c ist das Tagebuch dieses Geisteszustandes zwischen Berlin und Bombay.
Das Aufnahmegerät fängt akustische Fragmente ein, den Klang des eigenen Motors, Innenperspektiven. Eine Atmosphäre der Unruhe, die der Frage nachgeht, wo ist hier und wo ist dort? Die scharfe Grenze zwischen der eigenen Basis und der Ersatzheimat beginnt zu verschwimmen. Es ist immer das Hier, wo die Verbindungen zum Dort aufflammen. Der größte Teil der Aufnahmen entstand während verschiedener Besuche in Bombay zwischen 1996 und 2001. Der Blick von außen ist fokussiert, er zoomt auf einen wütenden Monolog mitten im Stau. Der Lärm der Stadt dringt ständig in die Ohren, ein Raum ohne Stille. Denn man kann keine Stille aufnehmen, solange die Maschine läuft. Die Stimme eines indischen Freundes, nur ein flüchtiger Blick, verschwommen durch das Geräusch des Ventilators an der Decke. Erinnerungen an ein Lied, eine Hymne an Bombay: "Es ist nicht deine Stadt, es ist eine Stadt, in die du kommst, die dich erschreckt, die dich verführt, aber sie gehört dir nicht." a/c ist eine Reise zu einem fiktiven Ort, zu dem niemand gehört und der zu niemandem gehört. Ein Ort, der aus kurzen, verblassenden und zufälligen Momenten und Erinnerungen zusammengesetzt ist. Ein Ort, den man nicht speichern kann, indem man die Aufnahmetaste drückt, sondern der nur dadurch entsteht, dass man ihn drückt.

Credits

Künstler Philip Scheffner
Mastering Rashad Becker
Format CD, 7 Tracks, 41:50 Minuten, 500 Kopien
Jahr der Veröffentlichung 2002
Kontakt scheffner(at)pong-berlin.de
 

Mehr Infos

  • pressestimmen

    westzeit (D)
    Die Fähigkeit sich frei über die Timeline zu bewegen, will als Verweis auf Scheffners Vorleben als Dokumentarfilmer verstanden werden, ebenso wie das Verfahren, Sound als Snippet und nicht als Stream zu behandeln. a/c, ist Scheffners zweites Album, fließt gehaltvoll und warm, poppt gelengentlich die digitale Ummantelung auf, und unterbindet durch konstantes Fading, den, in der Arbeit mit FieldRecordings(in diesem Fall Bombay/Kreuzberg) schnell entstehenden psychotropen Effekt.Nicht ganz unähnlich den FoundSoundAbstraktionen Christophe Charles', formt sich Scheffners blasses Erinnerungsvermögen von einer leichten Fiebrigkeit durchzogen, zu einer sehr persönlichen Deepness.. (Tim Tetzner/6 Punkte)

    yot (D)
    Als vager aktueller Vergleich zu dieser zweiten CD von Philip Scheffner fällt mir sofort das Random_Inc.-Album "Walking In Jerusalem" ein, nur dass sich Scheffner nicht auf eine Reise nach Israel, sondern nach Indien, genauer gesagt Bombay begibt. Basis für "a/c" waren Field Recordings, die dort bei mehreren Aufenthalten zwischen 1996 und 2001 entstanden sind. Diese verwebt Scheffner mittels elektronischer Sounds zu einer dichten, hörspielartigen Collage. Abstrakt bleibt trotz aller O-Töne das Bild von dieser Stadt, der Berliner Musiker spart sich folkloristische Elemente und tiefgreifende Statements. Durch und durch persönlich ist diese Musik, wirkt somit schon fast anti-dokumentarisch, da das subjektiv Erlebte im Mittelpunkt steht. So entsteht eine Hörwelt, die vielleicht gar nichts mit der Realität zu tun hat - und dadurch noch faszinierender wird. tbl

    beam me up (D)
    Der Zustand der Umgebung.
    Bereits seit anderthalb Jahrzenhnten schraubt Philip Scheffner an den Schnittstellen von Raumkonzeption, visueller Kunst, Musik und Geselligkeit. Konkret heisst das, die Aggregatzustände seiner Arbeiten reichen von Club-Spaces - wie Anfang bis Mitte der 90er als Mitbetreiber des "Friseur" in Berlin-Mitte -über klassisches Ausstellungskünstlertum, bis zur Videomacherexistenz bei arte und 3sat, oder seit neuestem sogar Soundtüftler. Der Take-Off als Musikproduzent ist relativ jung. Erst vor knapp zwei Jahren startete er die eigene Medienproduktionsplattform "pong", wo er auch im Mai letzten Jahres seinen ersten Output "fon" in die Welt warf. Eine CD, die sogar das britische Magazin "The Wire" glatt über den grünen Klee lobte. Der aktuelle Nachfolger "a/c" (Pong/A-Musik) trägt das amerikanische Kürzel für "Air Condition" im Titel. Assoziationen wie Reisen, Flüchtigkeit, Zirkulation, Rauschen stellen sich ein. Oder - wenn man es wörtlich nimmt - den Zustand der Luft und der Umgebung. Der Titel ist mit gutem Grund gewählt: es geht um die stetigem Wandel ausgesetzte Wahrnehmung von Stadt als Lebensraum aber auch um die Wahrnehmung der Orte zwischen den Städten, den Hybridzuständen der Transit-Orte. Räumlich, psychologisch, auch epistemologisch. Philip Scheffner gefällt es nunmal, mit der Darstellung von Ortswechseln zu spielen. Akustisch, visuell und in Echtzeit. Zur Release-Party von "a/c" stellte er einen Bus-Shuttle bereit, der die Gäste auf eine nächtliche Spritztour durch Kreuzberg mitnahm, während der sie sich die Platte per Kopfhörer anhören konnten und nebenbei die Stadt völlig neu aus diesem Zustand des Losgefahrenen - aber-noch-nicht-angekommenen heraus, erleben konnten. Die weitere Ausarbeitung zum schlüssigen Live-Konzept ist in der mache. Obwohl auf "a/c" fast ausschliesslich selbst gemachte Geräusch- und Sprachaufnahmen aus Bombay verwendet wurden, handelt es sich nicht um eine Arbeit über Indien. Anstelle des westlich-ethnografischen Blicks werden durch Filter und behutsame Bearbeitungen aus dem Rohmaterial abstrakte Klangfragmente und Mikro-Rhythmen konstruiert, die in Ermangelung von Bezugspunkten oft für elektronisch generiert gehalten werden, obwohl es sich, so Scheffner, um mehr oder weniger reine Field Recordings handelt. Trotz des Indien-Themas kommt keinerlei billige Exotik auf. Das vielleicht volkstümlichste Element sind die in Bombay stets präsenten, charakteristischen Glocken. Sie wurden im letzten Track isoliert und kaum merklich bearbeitet. "a/c" erzählt einen Film ohne Bilder, in dieser Hinsicht ist sich Scheffner als Videokünstler treu geblieben. Es ist nicht übertrieben von Dramaturgie zu sprechen, von einem sich langsam entfaltenden Spannungsbogen mit mehr als nur einem doppelten Boden. Man verlässt einen Raum der Ruhe und tritt sogleich in den nächsten, wo der Strassenlärm tobt und wieder abebbt. Musik als Spiegel des vergänglichen, als Soundtrack gleitender urbaner Realitäten. Berlin, Bombay, it's all in your Brain. (Annibale Picicci)

    Bad Alchemy (D)
    Diskrete, reduzierte Mikrofonie in die Geräusche und Stimmen aus Bombay, speziell einer englisch sprechenden Freundin/Stadtführerin als Spurenelemente abgelagert sind. Die 'City of Dreams" ist meist jedoch betont abwesend. Da ist nur das Sirren, Dröhnen und Zirpen einer ausgeräumten, ausgesucht feinen Klanglandschaft. Die Laptop-Meditationen werden nur einmal unterbrochen von Verkehrstrubel und Rushhourhektik, aus der der Besucher sich schnell wieder zurückzieht in seinen klösterlichen, von Glockenklang beschallten Hinterhof. 'Der Mensch als solcher ist und bleibt Tourist" (indisches Sprichwort)

    Black (D)
    Fast nur aus Field Recordings aus Bombay und Berlin bestehend, klingt die Platte weie ein einziges grosses Glockenspiel und Windgeläut. Knackende, schmatzende, knisternde Töne werden von glockenhellem Klang begleitet. Dazu Strassenlärm und Aufnahmen einer indischen Freundin, die sich über den Verkehr aufregt. Alles sehr flüchtig, unzusammenhängend, chaotisch, lieblich und zärtlich. Wenn man nicht dort war, wird es einem wohl wenig bieten, als den Klang an sich. Eine sehr besinnliche, unaufgeregte Klangcollage., die als Hintergrundsoundtrack gut funktioniert, aber bei konzenrtriertem Zuhören zu langatmig wird. Dazu passiert zu wenig ausser Umweltgeraeusche, Glockenschleier und hallende Glockenlänge.

  • artist statement

    Das meiste Material, das für die Produktion von a/c verwendet wurde, besteht aus Aufnahmen auf MiniDisk und Mini DV, die zwischen 1996 und 2002 in Bombay und Berlin gemacht wurden. Aus dem umfangreichen Material wurden einige Sequenzen ausgewählt und mit Standard-Desktop-Editing- und Filterfunktionen bearbeitet. a/c versucht, einen abstrakten, imaginären Ort zu beschreiben. Ein urbaner Raum, der irgendwo dazwischen liegt und meist in der Erinnerung präsent ist. Ein Ort, der sich zwischen zwei persönlichen Berührungspunkten befindet: Berlin, weil das der Ort ist, an dem ich lebe, arbeite und Zeit verbringe. Bomaby, weil ich dort gute Freunde habe, die ich regelmäßig besuche und die zufällig in Bombay leben. Würden sie z.B. in Wien leben, wäre das mein zweiter Berührungspunkt: Der Kontext "Indien" mit all seinen (exotischen) Konnotationen spielt für mich eine sehr begrenzte Rolle. Trotzdem war dieser Subtext natürlich entscheidend für die Arbeit mit den Feldaufnahmen und die endgültige Komposition. Wenn man sich mit urbanen Feldaufnahmen beschäftigt, reiht sich die eigene Arbeit - ob man will oder nicht - in eine lange Tradition der Soundscape-Forschung, der Beschreibung von Orten, der Audio-Touren etc. ein. Wenn der westliche Hörer plötzlich von dem "exotischen" Ort Bombay angezogen wird, findet man sich mitten in einem diskursiven Brettspiel aus ethnographischem Starren, Exotisierung, vermeintlicher Authentizität und Eurozentrismus wieder. Es stellt sich die Frage: Wer spricht, wer zeichnet auf und zu welchem Zweck. In meiner Arbeit für a/c habe ich versucht, solche Fragen bereits bei der Auswahl des aufgenommenen Materials und bei der Bearbeitung der Sequenzen zu klären.

    Das verwendete Material lässt sich grob in vier Bereiche unterteilen:
    1. Die Geräusche, die das Aufnahmegerät beim Versuch, eine Situation aufzunehmen, erzeugt.
    2. Ein in Bombay aufgenommenes Interview mit einer engen Freundin von mir, der indischen Drehbuchautorin Urmi Juvekar, über einen berühmten Song aus dem Bollywood-Film "C.I.D".
    3. Geräusche aus den Städten Bombay und Berlin.
    4. Eine konkrete Situation mit der oben genannten Drehbuchautorin, während sie in einem Auto in einem Stau in Bombay festsaß.

    Zu 1: Das Aufnahmegerät
    Das Geräusch, das das Aufnahmegerät macht, ist für mich vielleicht die wichtigste Ebene des Projekts. Es veranschaulicht beides: den unmöglichen Akt des Versuchs, einen Moment in der Zeit festzuhalten, sowie die Person, die die Aufnahmetaste drückt. Normalerweise werden solche Geräusche in der Nachbearbeitung gelöscht. Im Gegenteil, bei a/c sind diese Geräusche der Kern des Projekts und bilden das Fundament der gesamten Komposition. Das Verhältnis zwischen den Geräuschen des Aufnahmegerätes und dem aufgenommenen Klang verhält sich umgekehrt proportional. Die eigentlichen und identifizierbaren Feldaufnahmen werden zu Klangsprenkeln im hörbaren Prozess der Aufnahme.

    Zu 2: Das Lied
    Das Lied "Bombay Meri Jaan" (aus dem Film C.I.D.) gilt als die inoffizielle Hymne der Stadt Bombay. Es ist eine Art indisches Klischee. Wenn ein indischer Dokumentarfilm über Bombay gedreht würde, würde dieses Lied höchstwahrscheinlich verwendet werden. Die indische Drehbuchautorin Urmi Juvekar versucht, sich dieses Lied Zeile für Zeile zu merken, übersetzt jede Zeile aus dem Hindi ins Englische und versucht, die Bedeutung im Kontext von Bombay zu erklären. Westliche Klischees von Bombay spiegeln sich in den indischen Klischees der Stadt wider. Dieses Lied ist auch ein Ausgangspunkt, um über die Stadt im Allgemeinen nachzudenken.

    Zu 3: Die Stadt
    Die meisten der in a/c verwendeten Stadtgeräusche lassen sich nicht zuordnen. Es handelt sich eher um allgemeine Straßengeräusche/Szenen.

    Zu 4: Der Verkehrsstau
    Die unbearbeitete Aufnahme des Verkehrsstaus dient als eine Art Realitätseinschlag in der Komposition. In der scheinbar frei schwebenden Oszillation zwischen den Orten sitzen wir plötzlich fest. Diese Trägheit wird zum Ursprung einiger Flüche, beschreibender Beobachtungen des Alltäglichen, der Zerstörung der Illusion grenzenloser Mobilität. Der Ort Bombay, für westliche Ohren exotisch und voller Projektionen, wird durch die Perspektive einer in Bombay lebenden Frau in seine Schranken gewiesen: Ich mag nichts an Bombay". Durch den dramaturgischen Einsatz solcher ineinander verwobenen Schichten, wie oben beschrieben, scheint ein abstrakter, persönlicher Raum zu entstehen, der in der realen Welt höchstwahrscheinlich keine Entsprechung findet. Eine Rezension von a/c beschrieb das Ergebnis als "anti-dokumentarisch" - ein Verständnis, das mir reizvoll erscheint, zumal das meiste verwendete Material dokumentarisch ist.

Downloads

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